Es ist ein Stoff, aus dem derzeit viele Träume gemacht sind. Wasserstoff soll die Dekarbonisierung in energieintensiven Bereichen der Industrie und im Verkehr erlauben, was nebenbei auch dem Verbrennungsmotor das Weiterleben sichern würde. Er zeichnet sich durch eine hohe Energiedichte aus, der Brennwert eines Kilogramms entspricht demjenigen von 3,3 Kilogramm Benzin. Wasserstoff soll zudem als Energiespeicher dienen, der helfen könnte, das Stromnetz zu stabilisieren.

Ideales Grün

Eigentlich sieht die Produktion ganz einfach aus. Mittels Elektrolyse, also mit Strom, kann Wasserstoff aus Wasser (H2O) gewonnen werden, indem die H-Atome vom Sauerstoff O getrennt werden. Dabei fällt also lediglich das unproblematische «Nebenprodukt» Sauerstoff an.

Die Wirklichkeit ist etwas komplizierter. Der so gewonnene Wasserstoff ist nur dann von der Klimawirkung her «grün», wenn auch der für die Auftrennung eingesetzte Strom aus sauberen Quellen stammt. Doch auch erneuerbare Energie ist knapp und fällt zudem flatterhaft an. Die Phasen, in denen sie im Überfluss vorhanden ist, reichen nicht für eine vernünftige Auslastung der Anlagen. Zudem drückt der niedrige Wirkungsgrad bei der Herstellung via Elektrolyse stark auf die Wirtschaftlichkeit.

Bis heute wird Wasserstoff überwiegend mit anderen Verfahren aus fossilen Energieträgern wie Erdgas produziert und hauptsächlich in industriellen Prozessen etwa der Ölraffinierung oder der Düngerherstellung (Ammoniak) verwendet. Was heisst das mit Blick auf das CO2?

Es gibt eine Orientierungshilfe, um sich im Dickicht der verschiedenen Technologien und Energieträger ein Bild von der Klimawirkung machen zu können: die Farbenlehre des (eigentlich farblosen) Wasserstoffs. Ausser dem idealen Grün gibt es die Farben Türkis, Orange, Rot, Blau, Weiss, Grau, Braun und Schwarz.

Türkiser Wasserstoff wird aus dem Kohlenwasserstoff Erdgas (Methan) hergestellt, das Abfallprodukt ist dabei fester Kohlenstoff, der relativ gut gespeichert werden kann. Auch der blaue Wasserstoff wird aus Erdgas gewonnen, aber mit einem anderen Verfahren; das CO2 wird durch Lagerung unschädlich gemacht. Wird Wasserstoff aus Bioenergie wie Biomasse und Biogas gewonnen, gilt er als orange. Bioenergie ist insofern kohlenstoffneutral, als der freigesetzte Kohlenstoff vorher in den organischen Stoffen gebunden war.

CO2-mässig sehr gut schneidet der mit Kernenergie produzierte rote Wasserstoff ab. Weiss sodann ist Wasserstoff, der natürlich vorkommt und in Gesteinsformationen abgelagert ist. Er kann über Fracking nutzbar gemacht werden – die Methode ist aber wie beim Erdöl umstritten.

Verwendung in der Politik

Wird Erdgas eingesetzt, ohne das CO2 abzufangen, ist der Wasserstoff grau. Von Braun beziehungsweise Schwarz spricht man, wenn Braun- respektive Steinkohle eingesetzt wird. Natürlich ist diese Farbenlehre auch etwas suggestiv. Ist wirklich der Klimafussabdruck allein entscheidend? Welche anderen Kriterien, etwa Biodiversität oder Landverbrauch, sollen berücksichtigt werden? Ist die CO2-Bilanz bei rotem Wasserstoff schlechter als bei grünem? Solarpanels und Windräder zur Energieproduktion sind ja nicht klimaneutral zu haben.

Auf jeden Fall hat die Farbenlehre auch Eingang in die Politik gefunden. So publizierten das Bundesamt für Energie und das Bundesamt für Umwelt im Juni 2022 eine gemeinsame Stellungnahme zum blauen Wasserstoff, und das Parlament beauftragte 2022 den Bundesrat, eine nationale Strategie für grünen Wasserstoff auszuarbeiten. Deutschland und Frankreich haben bereits nationale Wasserstoffstrategien festgelegt, in der EU ist die Wasserstoffstrategie Teil des «Green Deal», und in den USA stimuliert die «Inflation Reduction Act» laut der Lobbyvereinigung Hydrogen Council die Investitionen in Wasserstoffprojekte.

Peter Kuster ist Redaktor beim Schweizer Monat.