Werden bei uns die Tage kälter und fällt bald schon Schnee, beginnt für die Tiere in der freien Natur der saisonale Kampf gegen Hunger und Erfrieren. Eine beliebte Strategie ist die Flucht. Schwalben und Stare ziehen in den wärmeren Süden. Tiere des Hochgebirges wie Hirsch und Steinadler verlegen ihren Lebensraum in tiefere Regionen, wo der Schnee weniger hoch liegt.

Wer aber in der Kälte bleibt, muss die meteorologische Prüfung trickreich meistern. So fressen sich Gämse und Steinbock im üppigen Bergsommer dicke Fettpolster an, die schliesslich einen Fünftel des Körpergewichts ausmachen können. Damit die Reserven bis zum Frühjahr reichen, müssen die Tiere rigoros Energie sparen: Sie verharren tagelang fast unbeweglich an Ort. Oder sie suchen Futter an Stellen, wo der Wind die Schneefracht weggeblasen hat.

Auch ein Winterpelz kann Wärmeverluste reduzieren. So ist das Winterfell der Gämse eine Kombination langer, steifer Haare an der Oberfläche mit einer dichten Wollschicht darunter. Die so im Fell eingefangene Luft isoliert wie ein Doppelfenster. Bei der Gämse ist der Kälteschutz derart effizient, dass frischgefallener Schnee stundenlang ohne zu schmelzen auf dem Rücken bleibt. Manche Tiere nutzen auch das Prinzip des Wärmetauschers: Die in die Extremitäten führenden Arterien sind eng von Venen umgeben, wodurch das zurückfliessende venöse Blut vom warmen arteriellen Herzblut vorgeheizt wird.

Ein Meister der Anpassung ist das Schneehuhn. Sein Daunenkleid lässt es Minustemperaturen von 40 Grad unbeschadet überstehen. Auch Nasenlöcher und Beine sind mit Federn geschützt. Und zur Winterausrüstung gehören Schneeschuhe: An den Zehen wachsen im Herbst abstehende Hornplättchen, die den zierlichen Fuss gegen das Einsinken wappnen.

Saisonale Askese

Zur Ernährung muss sich das Huhn aber Tag für Tag hundert Gramm Futter suchen, was das Sammeln von 15 000 Pflanzenteilchen erfordert. Nach der Futterarbeit und für die Nacht graben sich Schneehühner Höhlen in den lockeren Schnee. Herrschen draussen eiskalte minus 30 Grad, sind es in vierzig Zentimetern Schneetiefe noch minus 18 Grad. Und mit der eigenen Körperwärme bringt das Huhn sein Iglu auf behagliche null Grad.

Eine Winterstrategie ist auch ein Leben als biologischer Kühlschrank. Das Murmeltier kriecht in eine gutgeschützte Erd- oder Baumhöhle, rollt den Körper zu einer Kugel und fällt in einen lebensrettenden Winterschlaf. Die Körpertemperatur sinkt von 34 auf 3 Grad, das Herz schlägt pro Minute anstatt achtzig- nur mehr drei- bis viermal, und geatmet wird noch alle paar Minuten. Das Leben auf Sparflamme bringt Energieeinsparungen von gegen 95 Prozent.

Wer allerdings ganzjährig in einer Gletscherwelt existieren muss, braucht einen biologischen Gefrierschutz. Der Gletscherfloh lebt vorwiegend knapp unter der eisigen Oberfläche in den Haarspalten und Schmelzlöchern der Gletscher. Als Nahrung dienen die von Wind und Wasser aus der umliegenden Moränenwelt auf den Gletscher transportierten Blütenpollen.

Bei starkem Frost braucht der winzige Körper allerdings einen speziellen Schutz. Indem das Insekt seine Körperflüssigkeit mit Zucker und Alkohol anreichert, wird der Gefrierpunkt markant gesenkt. Neben solchem Frostschutz produziert der Körper spezielle Eiweissmoleküle. Sobald sich in der Flüssigkeit erste Eiskristalle bilden, heften sich die Eiweissmoleküle an die Kristalloberfläche und blockieren die weitere Eisbildung. Mit einem solchen «Supercooling» bleibt die im Körper zirkulierende Hämolymphe noch bei minus 20 Grad flüssig.

Herbert Cerutti ist Autor und Tierexperte.