Die Schweiz – ein schlanker Staat? Das war einmal. In den letzten Jahrzehnten wächst der Staat ungehemmt. Die Sozialausgaben explodieren, ebenso die Asylkosten und weitere schwergewichtige Budgetposten. In der Corona-Zeit mit ihren rekordverdächtigen Defiziten wurden die Schleusen noch stärker geöffnet. Spätestens seither macht es den Anschein, dass Bundesrat und Parlament das Steuergeld, das ja nicht ihr Geld ist, mit vollen Händen verteilen und umverteilen. Das Wuchern des Staates zeigt sich aber nicht nur bei den Ausgaben. Er masst sich auch immer mehr Aufgaben an – und er dringt in Märkte vor, in denen er nichts zu suchen hat. Dort konkurriert er private Unternehmen, oft in einem unfairen Wettbewerb.

 

«Es geht ans Eingemachte»

Die Post oder die Bernischen Kraftwerke (BKW), die reihum auch jenseits ihres Kernauftrags Firmen aufkaufen und allerlei Dienstleistungen anbieten, sind bekannte Beispiele dafür. Mit ihrer schieren Marktmacht und dem Steuerzahler im Rücken, der notfalls für strategische und operative Fehler geradestehen muss, machen sie insbesondere dem Gewerbe und kleinen und mittleren Unternehmen das Leben schwer.

Im Schatten des schlagzeilenträchtigen Gelben Riesen und anderer staatlicher oder staatsnaher Giganten spielt sich derzeit ein kleines Drama ab, für das der Staat direkt verantwortlich ist – auf Kosten privater Unternehmen, die durch die übermächtige Konkurrenz teilweise gar um ihr Überleben kämpfen. Die Rede ist von der Branche der Berufsberatung, die exemplarisch erlebt, was passiert, wenn sich der Staat mit unfairen Mitteln breitmacht.

Der Staat masst sich immer mehr Aufgaben an und dringt in Märkte vor, in denen er nichts zu suchen hat.

Um den Fall zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen: In der Berufs- und Laufbahnberatung arbeiteten der Staat und private Anbieter jahrzehntelang ergänzend und gut zusammen. Bis 2002 war auf staatlicher Seite der Bund dafür zuständig. Seither ist die Macht der Kantone gestärkt worden. Im Jahr 2018 haben Bund und Kantone dann gemeinsam eine sogenannte nationale Strategie «Berufsbildung 2030» ausgerufen, welche die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung umfasst. Dahinter steht als starker Player primär die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK).

Das Problem und, wenn man so will, der eigentliche staats- und wettbewerbspolitische Skandal dieser nationalen Strategie ist nun, dass die privaten Berufsberater davon praktisch vollständig ausgeschlossen sind. Der Staat ist drauf und dran, im Markt der Berufsberatung, bei dem die Privaten bisher eine wichtige Rolle gespielt haben, ohne jede Notwendigkeit ein faktisches Staatsmonopol zu begründen. «Jetzt geht es den Privaten ans Eingemachte», sagen betroffene Berater von Laufbahnswiss, dem Verband der unabhängigen Laufbahnfachleute.

Dass dies nicht nur leeres Gejammer ist, zeigt eine Branchenumfrage. Demnach geben drei Viertel aller Befragten an, dass ihr Umsatz seit der Umsetzung der «nationalen Strategie» teils massiv eingebrochen ist. Das ist vollends fragwürdig, wenn man sieht, dass parallel dazu die Steuerzahler für den Aufbau staatlicher Beratungsstellen tief ins Portemonnaie greifen müssen. Allein das Projekt «viamia», das gemäss EDK «berufstätige Erwachsene ab 40 Jahren bei ihrer beruflichen Standortbestimmung und Laufbahngestaltung» unterstützen will, verschlang in den letzten drei Jahren vierzig Millionen Franken aus der Bundeskasse. Vorgesehen ist, dass – und dies ist schon fast ein Running Gag bei angeblich «befristeten» Finanzengagements der öffentlichen Hand – diese «Anschubfinanzierung» verlängert wird. Später sollen dann die Kantone einen Grossteil der Kosten übernehmen – was die unfaire Konkurrenz durch den Staat als privilegierten Wettbewerber freilich nicht eindämmt.

 

Auf Kosten der Steuerzahler

Ironie der Geschichte: Eine Evaluation von «viamia» ergab, dass dabei die eigentliche Zielgruppe, nämlich Migranten, Arme oder Bildungsferne, verfehlt wurde. Das millionenteure Programm ist eine Fehlkonstruktion, beschädigt aber einen funktionierenden Markt, indem es gratis – sprich: auf Kosten der Steuerzahler – anbietet, wofür man bei privaten Beratungsstellen bezahlen muss. Deshalb ergänzt der Staat die Argumente für seine Intervention: Es gebe halt auch Akademiker, die sich eine kostenpflichtige Beratung nicht leisten könnten, heisst es neuerdings.

Nun ist das Parlament gefordert, diesem unfairen Wettbewerb einen Riegel zu schieben. Eine ursprünglich von Ruedi Noser (FDP) eingereichte Motion der Kommission für Wirtschaft, Bildung und Kultur des Ständerats, die wieder eine «Gleichwertigkeit öffentlicher und privater Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung» erreichen will, hat die kleine Kammer am 4. März knapp mit 23 zu 20 Stimmen verworfen. Es ist zu hoffen, dass verantwortungsbewusste Politiker aller Parteien und die Wirtschaftsverbände das Problem nicht links liegenlassen und im Nationalrat einen neuen Anlauf nehmen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Staat gegen Privat"
  • rudi klein

    Ja, die linke Politik geht rückwärts in den Kommunismus. Was daraus wird, kann man an der Geschichte anderer Staaten sehen.

  • Thomas H

    Eine Tragödie. Wir hatten die sogenannte Schuldenbremse, als relativ wirksames Instrument eingeführt. Aus meiner Sicht benötigen wir das Analoge für die Staatsquote - eine Staatsquotenbremse - die zB diese bei 40% limitiert. Das wäre die perfekte Initiative, um DAS Kernanliegen des Bürgerlichen Blocks umzusetzen. Es würde auch die Diskussion über sinnige und unsinnige Staatsaufgaben befeuern.

  • yvonne52

    Der Staat hat viel zu viele Angestellte, die sich teuer in ALLES einmischen können, den privaten Stellen Schaden zufügen und für "staats-ideologische" Einseitigkeit sorgen. Auf Kosten der Steuerzahler natürlich. Immer mehr Bereiche werden so vom Staat vereinnahmt.